Konzert des Artefakt-Ensembles

Es war die Zeit großen Elends und glanzvoller Feste. Zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs trafen Extreme aufeinander, die kaum größer sein könnten: Während das Volk unter Hungersnöten und Seuchen litt, entfaltete sich an den Höfen der europäischen Fürsten im 17. Jahrhundert eine Kultur, die für viele nachfolgende Komponisten- und Künstlergenerationen prägend sein sollte. Stradivari baute Geigen, deren Klang heute noch sagenumwoben ist. Die ersten Virtuosen eroberten Konzert- und Opernbühnen, Komponisten schrieben ihnen die kunstvollsten Arien auf den Leib. Die höfische Gesellschaft vertrieb sich die im Übermaß vorhandene Zeit mit Schauspiel und Tanz.

Stilechte Garderobe

Mitten in diese Zeit entführte das Artefakt-Ensemble seine rund 130 Zuhörer mit einem literarisch-musikalischen Konzert am 8. Oktober 2011 im Gemeindehaus in Erkenbrechtsweiler. Geiger und Cellisten, Trommler und Blockflötenspieler erwarteten ihr gespanntes Publikum in höchst ungewöhnlicher Konzert-Garderobe: Der Mode des 17. Jahrhunderts folgend, gewandeten sich die Musiker stilecht in Samt und Seide, wallende Röcke, Spangenschuhe und Federhüte. Nicht nur fürs Auge, sondern auch fürs Ohr bot das Ensemble Artefakt ein Erlebnis, dass man nicht so schnell vergisst. Denn Ursel Bernlöhr und Sigrid Kasparian hatten gemeinsam mit ihrem Orchester in einer intensiven Probenphase ein Stück einstudiert, an das sich für gewöhnlich nur „Profis“ und Experten für Alte Musik wagen: Das „Capriccio Stravagante“ von Carlo Farina steckt voller Überraschungen – nicht nur für die Zuhörer, sondern auch für die Spieler. Der Komponist verlangt den Musikern teilweise Techniken ab, die ihrer Zeit damals weit voraus waren: Wie man die Saiten nicht mit den Bogenhaaren, sondern mit der Bogenstange zum Klingen bringt, wie man auf der Geige auch spanische Gitarre spielen oder sogar wie ein Hund bellen kann, demonstrierte Geigerin Sigrid Kasparian dem staunenden Publikum zu Beginn des Konzerts. „Carlo Farinas Komposition ist ungeheuer fantasieanregend“, teilte Ursel Bernlöhr den Zuhörern mit. Genau deshalb begnügte sich das Ensemble auch nicht damit, einfach nur brav die Noten abzuspielen. Ursel Bernlöhr hatte sich zur Musik eine eigene Geschichte ausgedacht, die sie, begleitet vom Orchester, packend erzählte. Sie handelte von Arlecchino – einem jungen Mann, der den Kopf voller Flausen hat und auf seiner Reise so allerhand erlebt. Auf dem Marktplatz einer Stadt lernt er eine Gruppe von Studenten kennen, die, genau wie er, in Feierlaune sind.

Fantasievoll und virtuos

Gemeinsam beschließen sie, sich beim Geburtstagsfest der Prinzessin einzuschleichen. Wie sie in der Schlossküche Köstlichkeiten stibitzen, die feine Gesellschaft im prächtigen Spiegelsaal mit seinen langen Tafeln beobachten und schließlich erwischt werden, beschrieb das Ensemble Artefakt in Worten und Tönen so bildlich, dass man sich beim Zuhören bisweilen selbst im barocken Schloss wähnte. Die Musiker beherrschten nicht nur ihre bisweilen durchaus virtuosen Passagen in Perfektion, sondern vor allem auch die Kunst, die Zuhörer immer wieder von Neuem zu fesseln und zu überraschen. So versetzten sie das Publikum gekonnt in die erhebende Stimmung einer nach Weihrauch duftenden Schlosskapelle, nur um es wenig später mit den herzerweichend schauerlichen Liebesarien der Katzen auf dem nächtlichen Marktplatz zum Lachen zu bringen.

Text: Greta Schwarz